„Erinnerung auch an Schuld und Versagen“

Stadt sieht moralische Verpflichtung für Denkmal an Deportation nach Gurs

An die Todesfahrt von Philippsburger Mitbürgern ins Internierungslager von Gurs erinnert nach 77 Jahren ein Denkmal auf dem Platz vor der Jugendstil-Festhalle, das in enger Zusammenarbeit von Stadt, Sparkassen-Kulturstiftung und Realschule in den vergangenen Monaten gedanklich entwickelt, dann auf den Weg gebracht und nunmehr feierlich enthüllt wurde. Der auffallende gemeißelte Sandstein weist auf die Deportation von 21 Philippsburger Juden ins französische Camp de Gurs hin.

Wie könnte ein würdiger Denkstein aussehen, der an die Judenvernichtung erinnert? Zwei zehnte Klassen der von Anfang an mit eingebundenen Konrad-Adenauer-Realschule hatten dazu vielfältige Überlegungen angestellt. So entstanden 18 durchweg beeindruckende Entwürfe. Schließlich entschied eine hochkarätig besetzte Jury über den Sieger des klasseninternen Wettbewerbs. Ihre Wahl fiel auf eine Steinbearbeitung der beiden Schüler Simon Braun und Szymon Widonski. Auf einem etwa ein Meter hohen Steinquader ist eine Kombination aus der alten Philippsburger Festungsmauer mit den vorgelagerten Schanzen und dem typischen Davidsstern zu sehen. Das Hexagramm gilt als Symbol des Volkes Israel und des Judentums.

Eine Zweitfertigung des Exponats kommt nach Neckarzimmern. Zu Beginn des Projekts hatten die Schüler mit Pfarrer Andreas Riehm-Strammer das große Mahnmal im Odenwald besucht: die bislang einzige Gedenkstätte an diese menschenunwürdigen Ereignisse in Baden. Das dort entwickelte Konzept sieht auch die Errichtung von Erinnerungssteinen vor – für jeden der 138 Orte der Region, aus denen Juden deportiert wurden. Ein Stein bleibt in der jeweiligen Gemeinde, der zweite wird in die dortige Bodenskulptur integriert.

Für den Erfolg des ehrgeizigen Projekts vor Ort zeichneten vor allem Rektorin Dr. Ina Kreisel, die beiden Kunstlehrerinnen Susanne Dörr und Katja Konrad, Hobbyhistoriker Dieter Haas und schließlich Gisela von Renteln, Geschäftsführerin der Kulturstiftung, die für die gesamten Kosten von 7.000 Euro aufkommt, verantwortlich. Das Denkmal hat dort seinen Platz gefunden, wo einst das Wohnhaus des Judenvorstehers stand, mit dessen Geldern später ein „Armenhaus für Betteljuden und arme Christen“ wurde. Aus dem Jahr 1648 stammt der erste Nachweis für ein Gebäude eines jüdischen Bürgers in der späteren Judengasse. 1720 lebten bereits 20 Familien jüdischen Glaubens in der Reichsfestung.

Von den 21 nach Gurs verschleppten Personen, zwischen zehn und 80 Jahren alt, starben zehn im Konzentrationslager. „Es war auch der große Wunsch überlebender Juden, dass in der Stadt Philippsburg den Verschleppungen und Ermordungen auf diese Weise gedacht wird“, betont Dieter Haas. Vorgesehen ist, dass noch eine von der Kulturstiftung gestiftete Bronzetafel mit den Namen der deportierten Philippsburger Juden angebracht wird.

Auf die heutige Bedeutung der Erinnerungsstätte nach vielleicht zu langen 77 Jahren wiesen Bürgermeister Stefan Martus – zusammen mit den Wettbewerbssiegern Simon Braun und Szymon Widomski -, Sparkassenvorstand Lutz Boden („eine Mahnung für uns und für künftige Generationen“) sowie Pfarrer Andreas Riehm-Strammer („eine Erinnerung auch an Schuld und Versagen“) hin. Zur Gedenksteinenthüllung gehörte eine würdige musikalische Ergänzung der Violinistinnen Eva Zacharias und Frauke Frey von der Musikschule.

(Schmidhuber)

 

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