Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen

Volkstrauertag trotz Corona mit Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen

„Der Volkstrauertag hat nach wie vor seine Berechtigung. Nicht in Vergessenheit dürfen die Opfer der Kriege, der Gewaltherrschaft und des Terrorismus geraten.“ Diese Forderung erhoben alle Redner bei den Gedenkfeiern auf den Friedhöfen im Philippsburger Stadtteil Rheinsheim und in Oberhausen.

Aufgrund der Corona-Pandemie waren weniger Teilnehmer als in den früheren Jahren gekommen, doch alle achteten auf die vorgeschriebenen Abstände, alle trugen Mund- und Nasenschutz. In anderen Gemeinden fiel diesmal die Gedenkstunde aus.

Am „Tag der Mahnung zu Versöhnung, Verständigung und Frieden“ gedachten beide Kommunen nicht nur der Toten beider Weltkriege, sondern auch der Opfer jeglicher Gewalt, des Nationalsozialismus und sinnloser Machtkämpfe, des Terrorismus und politischer Verfolgung.

Als Aufforderung, für den Frieden zu kämpfen, konnte auf dem Rheinsheimer Friedhof das ergreifende Trompetensolo von Mario Berny mit der Melodie von Friedrich Silcher, „Ich hatt’ einen Kameraden“, verstanden werden.

An die versammelten Mitbürger dort, darunter etliche Stadträte und Ortschaftsräte, Huttenheims Ortsvorsteher Markus Heil, Verantwortliche des VdK und anderer Vereinigungen, wandten sich Ortsvorsteherin Jasmine Kirschner in ihrer besonders berührenden Ansprache und – zum Abschluss der Veranstaltung – Bürgermeister Stefan Martus. Eine Kurzandacht gestalteten – vor der Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal – Gemeindereferentin Susanne Köhler und Pfarrer Andreas Riehm-Strammer gemeinsam für beide Konfessionen.

In allen Ausführungen kam zum Ausdruck, dass es gelte, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen: Allein im Zweiten Weltkrieg seien mehr als 55 Millionen Tote, darunter 20 Millionen Zivilisten, zu beklagen gewesen. Heute kommen zu den kriegerischen Auseinandersetzungen überall auf der Erde noch gezielte terroristische Anschläge hinzu. Mit viel Empathie spannte Jasmine Kirschner den Bogen von persönlichen Erinnerungen ihrer Großeltern zu einer gesamtpolitischen Betrachtung.

Ihr Appell: „Wir dürfen die Geschehnisse der Vergangenheit niemals aus den Augen verlieren, wir müssen sie künftigen Generationen weitergeben. Doch sollten wir uns auf die Zukunft konzentrieren, um es besser zu machen.“ 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges zog die Ortsvorsteherin auch die schrecklichen Ereignisse von damals, unter denen das Dorf Rheinsheim besonders zu leiden hatte, in ihrem Rückblick ein.

Der Volkstrauertag war 1919 eingeführt und erstmals 1922 als Gedenktag zu Ehren der Opfer des Ersten Weltkrieges begangen worden. Am „Tag der Mahnung zu Versöhnung, Verständigung und Frieden“, im Jahr 1952 auf zwei Wochen vor Adventsbeginn festgesetzt, gedenkt die Bevölkerung der Opfer jeglicher Gewalt.

In den Ansprachen und Andachten auf dem Friedhof lautete die Botschaft über den jeweiligen Ort hinaus: Wir wollen nicht nur in Trauer verharren, sondern auch Trost, Mut und neue Hoffnung schöpfen: Hoffnung, dass es uns gelingt, gemeinsam eine Welt zu schaffen, in der Konflikte nicht mehr mit Gewalt ausgetragen werden.

 

Schmidhuber

Ansprache zum Volkstrauertag 2020

von Paul Roth, Auszubildender der Stadtverwaltung Philippsburg

„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Mit diesen Worten des Philosophen und Schriftstellers George Santayana, begrüße ich Sie zum heutigen Gedenken am Volkstrauertag.

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg und mit ihm zeitgleich auch das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Sechs Jahre lang brachte dieser Krieg unsägliches Leid über unzählige Menschen, viele Millionen Tote hatte dieser Krieg zu beklagen. Der Ausgang des Krieges besiegelte auch das Ende des Regimes der Nationalsozialisten, deren menschenverachtende Ideologie den Tod von weiteren Millionen von Menschen zu verantworten hatte.

All diesen Menschen gedenken wir am heutigen Tag. Wir gedenken den Soldaten und Zivilisten, die in diesem Weltkrieg und dem ihm Vorangegangen ihr Leben verloren haben. Wir gedenken den Menschen, die auch heute noch Opfer von Gewalt in Krisen, Konflikten und Kriegen werden. Wir erinnern an die Opfer von Massakern und Völkermord. Wir gedenken den Millionen Opfern des Holocausts und den Menschen, die ihren Mut im Widerstand gegen das Regime, mit ihrem Leben bezahlen mussten. Wir gedenken auch den Menschen, die heute noch aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder ihrer Überzeugung unterdrückt und verfolgt werden.

In den Jahrzehnten nach dem Krieg hat sich viel getan. Die erfolgreiche Aussöhnung der ehemals verfeindeten Kriegsgegner bildet heutzutage die Grundlage für unser vereintes und friedliches Europa. Die meisten von uns mussten somit nie die Schrecken eines Krieges am eigenen Leib erfahren, allenfalls beim abendlichen Blick in die Fernsehnachrichten werden wir mit dessen Gräuel noch konfrontiert. Auch die Angst vor Verfolgung und Unterdrückung sind uns im Grunde fremd, den in unserer demokratischen Gesellschaft hat der Schutz der Menschenrechte höchste Priorität. Somit stellt sich möglicherweise manch einer die Frage, ob der Volkstrauertag nach all den Jahren des Friedens und der Stabilität in Deutschland und Europa überhaupt noch seine Daseinsberechtigung hat.

Global betrachtet ist die Lage allerdings leider eine andere. Unter den Folgen von Konflikten und Kriegen wie in Syrien und der Bergkarabach-Region leiden auch heute noch Millionen von Menschen. Und auch heute noch werden unzählige Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder politischen Ansichten verfolgt und unterdrückt. Das wir davor nicht einfach die Augen verschließen können, in der Hoffnung es beträfe uns nicht, wurde uns erst vor ein paar Jahren verdeutlicht, als Millionen von Menschen, auf der Flucht vor Verfolgung, Gewalt und Krieg, ihre Zuflucht in Europa suchten.

Selbst wenn wir hier in Deutschland nicht direkt von den Folgen von Krieg und Gewalt betroffen sind, tangieren diese dennoch unser Leben auf die eine oder andere Weise. Bundeswehrsoldaten beteiligen sich an internationalen Einsätzen und riskieren dabei sogar ihr Leben. Und auch der innere Frieden unserer Gesellschaft beginnt an manchen Stellen zu bröckeln. Terrorattacken wie der rechtsextremistische Anschlag in Halle in diesem Jahr mit zehn Toten erschüttern auch heute noch unser Land und fügen Menschen unsägliches Leid zu. In den sozialen Netzwerken sind Hass und Hetze auf dem Vormarsch und befeuern eine Spaltung der Gesellschaft.

Dieses Jahr sind wir auch nun alle von einer weiteren Krise betroffen. Das Coronavirus beeinflusst das Leben von uns allen und forderte weltweit bereits über 1,2 Millionen Tote. Genau wie das Gedenken an die Toten am Volkstrauertag eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, so ist es auch der Kampf gegen das Coronavirus. Nur mit einer solidarischen Umsetzung der Maßnahmen, können wir die weitere Ausbreitung des Virus eindämmen.  

Der Volkstrauertag hat somit in keiner Weise an Relevanz eingebüßt. Ganz im Gegenteil, denn das Gedenken und der Blick in die düstere Vergangenheit lehren uns, jeden Menschen zu achten, ganz unabhängig von Herkunft und Glauben. Und es lehrt uns, Frieden und Freiheit wertzuschätzen und nicht als selbstverständlich zu erachten. Gerade in Zeiten schwindender Zeitzeugen ist es unsere Aufgabe, die Erinnerung an die Vergangenheit aufrechtzuerhalten, damit diese sich auf keinen Fall wiederholt.

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