Schlagabtausch im Philippsburger Gemeinderat

Widerstand gegen Einlagerung von Atommüll-Castoren angekündigt

Bund und Land wollen sie partout nach Philippsburg holen, doch Philippsburg will sie einfach nicht haben: die fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen, die ab 2019 von Le Hague in Frankreich zugefahren und auf der Rheinschanzinsel gelagert werden sollen.

Um den Philippsburgern zu erklären, was sie zukommt, waren auf Einladung der Stadt gleich acht Experten des Umweltministeriums Berlin, der EnBW Kernkraft, der Gesellschaft für Zwischenlagerung als künftiger Betreiber und des Bundesamtes für Kerntechnische Entsorgungssicherheit zur Gemeinderatssitzung erschienen, um ihre spezielle Sichtweise darzulegen, um zu beschwichtigen und „Ängste zu nehmen“. Was aber beim Bürgermeister und den vier Fraktionen nicht viel nützte. Die hatten, wohl um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, ihren Rechtsbeistand Hansjörg Melchinger auf den besten Platz an die Stirnseite gesetzt und den Klageweg angekündigt.

Trotz einstündiger Erläuterungen ließen sich die Philippsburger nicht „umdrehen“, es blieb bei der geschlossenen Ablehnungsfront. Jochen Pöschels Stellungnahme, die am längsten und leidenschaftlichsten ausfiel, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die SPD-Fraktion diagnostiziere ein „vollständiges Politikversagen, ja ein Staatsversagen.“ Aus seiner Sicht haben „alle verantwortlichen Politiker versagt“, wofür er zehn Beispiele aufführte. So äußerte sich Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) 2012, dass eine Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen, die aus dem Ausland zurückgeführt werden, am Standort Philippsburg kein Thema mehr sei. Doch derselbe Minister biete daraufhin - zusammen mit dem Ministerpräsidenten - „in vorauseilendem Gehorsam“ Philippsburg als Standort für die Castoren aus Frankreich an.

Nach geltender Rechtslage dürfe im Philippsburger Zwischenlager nur eigener Atommüll gelagert werden. Doch das schere wohl niemand. Auch sei der Standort gegen „Einwirkungen von außen“ nicht genügend gesichert, etwa gegen einen Flugzeugabsturz oder gegen Anschläge. Für die vorgesehenen Castoren des Typs HAW28M werde im Falle einer Reparatur eine „heiße Zelle“ benötigt, doch das Erfordernis bleibe unberücksichtigt.

Pöschel verwies auf Meinungsäußerungen in der Endlager-Suchkommission, wonach Atommüll in einigen Zwischenlagern bis zum Jahre 2170 bleiben könnte. In einem ebenfalls emotionalen Beitrag sprach Markus Heil (CDU) von großer Besorgnis der Bürger, von fehlendem Vertrauen und bürgerferner "hellseherischer" Politik. Ihrem Unmut machten auch Klaus Baader (FW) und Gaby Verhoeven-Jacobsen (Uli) Luft.

Alle geladenen Fachleute wiesen auf die Rechtslage hin: Die Bundesrepublik sei zur Rücknahme der radioaktiven Abfälle aus dem Ausland verpflichtet. So weit, so gut: Doch ist nicht mehr „bestens geeignete Zwischenlager Gorleben“ (so Pöschel) das Ziel der Castor-Transporte, sondern vier „Ersatzkommunen“, darunter Philippsburg. Vor diesem Hintergrund hat die EnBW Kernkraft zeitnah die Zwischenlagerung von fünf Castor-Behältern auf dem KKP-Gelände beantragt. Das Zwischenlager in Philippsburg verfügt über 152 Stellplätze für verbrauchte Brennelemente. Aktuell befinden sich dort 62 beladene Behälter.

Für Martus, der die fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung der Behörden kritisierte, ergibt sich eine Vielzahl von noch offenen technischen Fragen und zahlreichen ungeklärten sicherheitsrelevanten Aspekten.

(Schmidhuber)

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