Zwitschernde Vögel statt nukleare Sprengköpfe

Ehemaliges Munitionslager jetzt zugänglich/ Hinweistafel enthüllt und Gedenkbaum gesetzt

Dass hier einmal Atomwaffen mit einem unglaublichen Zerstörungspotenzial lagerten, wissen nur noch wenige. Wie viele Atomgranaten und Sprengköpfe nach dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 in Philippsburg auf ihren Einsatz warteten, ist nach wie vor ein Geheimnis. Denn niemand hatte ein Interesse, irgendwelche beängstigenden Informationen herauszugeben und „Werbung“ mit vollen Munitionsbunkern zu machen.

Wer heute durch die 20 Hektar große „Molzau“ geht oder fährt, sieht sich in einer gänzlich anderen Welt: ein ruhiges, friedliches Stück Mischwald, ein wahres Naherholungsbiet, in dem die Vögel die Freiheit der Nichtbewachung und Nichteinzäunung genießen und fröhlich zwitschern. Mit vereinten Kräften ist, wie es mehrfach hieß, eine optimale Renaturierung des einst zweckentfremdeten Waldgebiets gelungen.

Wo jetzt Bäume wachsen, wurden von 1963 bis 1997 große Mengen an Munition unterirdisch versteckt. Um für den Ernstfall gewappnet zu sein und von Philippsburg aus den Russen Paroli bieten zu können, standen für die 200 amerikanischen und bis zu 2.000 deutschen Soldaten insgesamt 24 vollgepackte Munitionsbunker bereit. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Die Bunker sind weg oder mit Handwerkszeug bestückt.

Jetzt, nach Abschluss der Renaturierungsmaßnahme, hatten die Stadt Philippsburg und die Firma Bio-Energie Nordbaden zur offiziellen Übergabe des Gebiets an die Öffentlichkeit eingeladen. Zu diesem Anlass enthüllten Bürgermeister Stefan Martus und Geschäftsführer Stefan Gredler eine Hinweistafel auf die Umnutzung und pflanzten sodann gemeinsam eine Esskastanie: der Baum des Jahres 2018. Etwa 150 Besucher, darunter etliche ehemalige Soldaten, informierten sich über den Rückbau, machten die Rundgänge mit, besichtigten die verbliebenen Bunker mitsamt dem Wachturm, die nachgebaute Sanddüne, die Feuchtbiotope und die Wiederaufforstungen mit verschiedenen Baumarten, zumeist durch Schüler: alles ausführlich erläutert von Revierförster Christian Hautz.

Beeindruckende Zahlen lieferte Gredler: „Wir haben 24.000 Quadratmeter Straßenfläche entsiegelt, 19 Bunker zurückgebaut, darunter zwei große Atombunker der US-Army, und zehn Gebäudeanlagen beseitigt.“ Jetzt gibt es 25.000 Quadratmeter neuen Laubmischwald, vier naturnahe Teiche und sogar eine wertvolle Sanddüne mit gut 20.000 Kubikmeter Sand.

Seit 2013 ist die früher hoch gesicherte Umzäunung verschwunden. Seitdem ist – ganz sukzessive – für den Privatinvestor „Stefan Gredler - BioEnergie Nordbaden“ eine äußerst erfolgreiche Konversion vonstattengegangen. 21 der einst 24 massiven Bunker in der Molzau gibt es nicht mehr. Einen der drei übrig gelassenen Bunkerkolosse bekam der städtische Bauhof, einer wurde dem Forst vermacht, ein Betonklotz soll als Fledermausherberge dienen.

Nur ein einziges Überbleibsel erinnert an die alten Ost-West-Spannungen. Ein Wachturm blieb erhalten, um als Art Mahnmal an den Kalten Krieg zu erinnern, als die gefährlichsten Waffen hier in der Region lagerten. Zum Munitionsdepot gehörte auch ein komplettes Wachgebäude mit dem markanten Betonwachturm, der bei Betrachtung sofort Assoziationen mit den ehemaligen Grenzanlagen der DDR auslöst. In der Molzau hatte der grüne Joschka Fischer, später Bundesaußenminister, demonstriert und an einem Sitzstreik teilgenommen.

Schmidhuber

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