Verordnung der Landesregierung B-W über infektionsschützende Maßnahmen

Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO)

Vom 16. März 2020

Auf Grund von § 32 in Verbindung mit den § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 31 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) geändert worden ist, wird verordnet:


§ 1 Einstellung des Betriebs an Schulen, Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen

(1) Bis zum Ablauf des 19. April 2020 sind

1. der Unterrichtsbetrieb sowie die Durchführung außerunterrichtlicher und anderer schulischer Veranstaltungen an den öffentlichen Schulen, Schulkindergärten, Grundschulförderklassen und den Schulen sowie Schulkindergärten in freier Trägerschaft,

2. die Nutzung schulischer Gebäude für nichtschulische Zwecke,

3. der Betrieb von Kindertageseinrichtungen sowie erlaubnispflichtiger Kindertagespflege und

4. der Betrieb von Betreuungsangeboten der verlässlichen Grundschule, flexiblen Nachmittagsbetreuung, Horte sowie Horte an der Schule untersagt.

(2) Die Untersagung nach Absatz 1 gilt nicht für Schulen am Heim an nach § 28 LKHG anerkannten Heimen für Minderjährige soweit die Schüler ganzjährig das Heim besuchen sowie Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren mit Internat, die ganzjährig geöffnet sind. Die Untersagung gilt ferner nicht für Altenpflege-, Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegeschulen sowie Schulen zur Ausbildung von medizinisch-technischen Assistenten und pharmazeutisch-technischen Assistenten, soweit dort Schüler und Schülerinnen geprüft und unterrichtet werden, deren Abschluss bis spätestens 30. Mai 2020 erfolgen soll. Das Kultusministerium kann Ausnahmen von Absatz 1 für die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren mit den Förderschwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung, Sehen, Hören, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Schülerinnen und Schüler in längerer Krankenhausbehandlung sowie die entsprechenden Einrichtungen des frühkindlichen Bereichs zulassen, sofern dies aufgrund des besonderen Förder- und Betreuungsbedarfs erforderlich ist.

(3) Das Kultusministerium kann zur Durchführung schulischer Abschlussprüfungen Ausnahmen von Absatz 1 zulassen.

(4) Ausgenommen von der Untersagung nach Absatz 1 sind Schülerinnen und Schüler an Grundschulen, an Grundschulstufen von Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, Grundschulförderklassen, Schulkindergärten, und den Klassenstufen 5 und 6 der auf der Grundschule aufbauenden Schulen sowie Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege, sofern beide Erziehungsberechtigte oder die oder der Alleinerziehende in Bereichen der kritischen Infrastruktur im Sinne von Absatz 6 tätig und nicht abkömmlich sind. Alleinerziehenden gleichgestellt sind Erziehungsberechtigte dann, wenn die oder der weitere Erziehungsberechtigte aus zwingenden Gründen, zum Beispiel wegen einer schweren Erkrankung, an der Betreuung gehindert ist. Für diese Kinder wird eine Notbetreuung bereitgestellt, die sich auf den Zeitraum des Betriebs im Sinne des Absatz 1 erstreckt, den sie ersetzt. Die Notbetreuung findet in der jeweiligen Einrichtung, die das Kind bisher besuchte, durch deren Personal in möglichst kleinen Gruppen statt; Ausnahmen hiervon sind nur bei objektiver Unmöglichkeit zulässig. Vom Mindestpersonalschlüssel des § 1 KiTaVO kann in der Notbetreuung abgewichen werden, sofern die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht dennoch uneingeschränkt möglich ist.

(5) Ausgeschlossen von der Notbetreuung gemäß Absatz 4 sind Kinder,

1. die in Kontakt zu einer infizierten Person stehen oder standen, wenn seit dem Kontakt mit einer infizierten Person noch nicht 14 Tage vergangen sind, oder

2. die sich innerhalb der vorausgegangenen 14 Tage in einem Gebiet aufgehalten haben, das durch das Robert Koch-Institut (RKI) im Zeitpunkt des Aufenthalts als Risikogebiet ausgewiesen war; dies gilt auch, wenn das Gebiet innerhalb von 14 Tagen nach der Rückkehr neu als Risikogebiet eingestuft wird, oder

3. mit Symptomen eines Atemwegsinfekts oder erhöhter Temperatur.

(6) Kritische Infrastruktur im Sinne des Absatz 4 sind insbesondere

1. die in den §§ 2 bis 8 der BSI-Kritisverordnung (BSI-KritisV) bestimmten Sektoren Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr,

2. die gesamte Infrastruktur zur medizinischen und pflegerischen Versorgung einschließlich der zur Aufrechterhaltung dieser Versorgung notwendigen Unterstützungsbereiche, der Altenpflege und der ambulanten Pflegedienste, auch soweit sie über die Bestimmung des Sektors Gesundheit in § 6 BSI-KritisV hinausgeht,

3. Regierung und Verwaltung, Parlament, Justizeinrichtungen sowie notwendige Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, soweit Beschäftigte von ihrem Dienstherrn unabkömmlich gestellt werden,

4. Notfall- /Rettungswesen einschließlich Katastrophenschutz und

5. Rundfunk und Presse.


(7) Das Kultusministerium kann über die in Absatz 6 genannten Bereiche hinaus weitere Bereiche der kritischen Infrastruktur lageangepasst festlegen.

(8) Schülerinnen und Schüler sowie Kinder, deren bisher besuchte Einrichtung einem Betriebsverbot unterliegt und für die nach den Absätzen 1 bis 7 keine Ausnahme vorgesehen ist, dürfen die betreffenden Einrichtungen nicht betreten. Die Personensorgeberechtigten haben für die Beachtung der Betretungsverbote zu sorgen.

(9) Das Kultusministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Dauer der Untersagung nach Absatz 1 zu verlängern sowie deren Bedingungen festzulegen und die Ausgestaltung der Notbetreuung nach den Absätzen 4 und 5 anzupassen. Das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz anzuordnen, bleibt hiervon unberührt.

§ 2 Hochschulen

(1) Der Studienbetrieb an den Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, der DHBW und den Akademien des Landes wird bis zum 19. April 2020 ausgesetzt; bereits begonnener Studienbetrieb wird bis zu diesem Zeitpunkt unterbrochen. Über die Nachholung von ausgefallenen Veranstaltungen und Prüfungen entscheidet die Hochschule in eigener Verantwortung. Die Hochschulen sorgen dafür, dass die Studentinnen und Studenten alle im Sommersemester 2020 vorgesehenen Studienleistungen erbringen können und zugleich die Studierbarkeit gewährleistet ist. Mensen und Cafeterien bleiben bis zum 19. April 2020 geschlossen.

(3) Das Wissenschaftsministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Dauer der Untersagung nach Absatz 1 zu verlängern sowie Ausnahmen in begründeten Einzelfällen zuzulassen. Das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz anzuordnen, bleibt hiervon unberührt.

§ 3 Verbot von Versammlungen und sonstigen Veranstaltungen

(1) Versammlungen und sonstige Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmenden sind untersagt.

(2) Die zuständigen Behörden können aus wichtigem Grund unter Auflagen zum Schutz vor Infektionen Ausnahmen zulassen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. Versammlungen und sonstige Veranstaltungen der Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur im Sinne von § 1 Absatz 6 dienen oder

2. es sich um gesetzlich vorgeschriebene Veranstaltungen handelt und eine Verlegung des Termins nicht möglich ist.

(3) Die zuständigen Behörden können Veranstaltungen mit einer geringeren als der in Absatz 1 genannten Teilnehmendenzahl untersagen, sofern dies auf Basis einer Risikoabwägung anhand der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts in ihrer jeweils geltenden Fassung unter Berücksichtigung des jeweiligen lokalen Infektionsgeschehens erforderlich ist. Das Recht der zuständigen Behörden, im Wege der Allgemeinverfügung weitergehende Regelungen zum Verbot von Veranstaltungen zu treffen, bleibt von dieser Verordnung unberührt.

(4) Das Sozialministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, durch Rechtsverordnung die in Absatz 1 genannte Grenze der Teilnehmendenzahl zu ändern und hierbei auch unterschiedliche Grenzen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel festzusetzen.

§ 4 Schließung von Einrichtungen

(1) Der Betrieb folgender Einrichtungen wird untersagt:

1. Kultureinrichtungen jeglicher Art, insbesondere Museen, Theater, Schauspielhäuser, Freilichttheater,

2. Bildungseinrichtung jeglicher Art, insbesondere Akademien und Fortbildungseinrichtungen, Volkhochschulen,

3. Kinos,

4. Schwimm- und Hallenbäder, Thermalbäder, Saunen,

5. Fitnessstudios und sonstige Sportstätten in geschlossenen Räumen,

6. Volkshochschulen und Jugendhäuser,

7. öffentliche Bibliotheken,

8. Vergnügungsstätten sowie

9. Prostitutionsstätten.

(2) Das Sozialministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, den Betrieb weiterer Einrichtungen zu untersagen oder den Betrieb von der Einhaltung von Auflagen abhängig zu machen.

§ 5 Einschränkung des Betriebs von Gaststätten

(1) Der Betrieb von Gaststätten wird grundsätzlich untersagt.

(2) Vom Verbot nach Absatz 1 ausgenommen sind Speisegaststätten, wenn sichergestellt ist, dass

1. die Plätze für die Gäste so angeordnet werden, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist,

2. Stehplätze so gestaltet sind, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Gästen gewährleistet ist und

3. in geeigneter Weise sichergestellt wird, dass im Falle von Infektionen für einen Zeitraum von jeweils einem Monat mögliche Kontaktpersonen nachverfolgbar bleiben.

(3) Das Sozialministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, den Betrieb von Gaststätten weitergehend zu untersagen oder den Betrieb von der Einhaltung weiterer Auflagen abhängig zu machen.

§ 6 Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Personen

(1) Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 3 bis 5 IfSG sowie teilstationäre Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderungen einschließlich Kurzzeitpflege dürfen grundsätzlich nicht mehr zu Besuchszwecken betreten werden. Hiervon ausgenommen sind

1. Fachkrankenhäuser für Psychiatrie mit Ausnahme der Fachkrankenhäuser für Gerontopsychiatrie,

2. psychosomatische Fachkrankenhäuser sowie

3. kinder- und jugendpsychiatrische Fachkrankenhäuser jeweils einschließlich der zugehörigen Tageskliniken.

(2) Stationäre Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderungen sowie von einem Anbieter verantwortete ambulant betreute Wohngemeinschaften für nach dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz dürfen grundsätzlich nicht mehr zu Besuchszwecken betreten werden. Die Einrichtungen können den Zutritt zu Besuchszwecken erlauben, wenn geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen getroffen werden können.

(3) Der Zutritt von externen Personen zu den in Absatz 1 und 2 genannten Einrichtungen aus sonstigen, insbesondere beruflichen Gründen ist nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung der Leitung der Einrichtung gestattet. Im Falle der Gewährung des Zutritts sind geeignete Vorkehrungen zum Infektionsschutz zu treffen.

(4) Personen, die in den vorausgegangenen 14 Tagen in Kontakt zu einer infizierten Person standen, und Personen mit Anzeichen für Atemwegserkrankungen oder mit erhöhter Temperatur ist der Zutritt zu den in Absatz 1 und 2 genannten Einrichtungen untersagt. Wenn diese Personen eine Einrichtung zum Zweck der Behandlung oder Aufnahme betreten wollen, ist vorab das Einverständnis der Einrichtung einzuholen. Hiervon darf nur in Notfällen abgewichen werden. Soweit möglich, sind auch in diesen Fällen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu ergreifen.

(5) Zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und des Pflegebetriebs können in der Einrichtung tätige Personen, denen nach Absatz 5 der Zutritt untersagt wäre, nach Abwägung die berufliche Tätigkeit in der Einrichtung unter Beachtung von Schutzmaßnahmen fortsetzen. Die Entscheidung über die Fortsetzung der Tätigkeit und die erforderlichen Schutzmaßnahmen trifft die Einrichtung.

(6) Ausnahmen von den Absätzen 1, 2 und 4 können durch die Einrichtungen für nahestehende Personen im Einzelfall, beispielsweise im Rahmen der Sterbebegleitung oder zur Begleitung eines erkrankten Kindes und unter Auflagen zugelassen werden. In Fällen nach Absatz 4 sind zwingend geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu ergreifen.

(7) Das Sozialministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, durch Rechtsverordnungen weitere Regelungen zum Schutz gefährdeter Personen vor einer Infektion mit SARS-Cov-2 zu treffen und die Regelungen in diesem Paragraphen zu ändern.

(8) Über die Zutrittsverbote nach den Absätzen 1 bis 4, ist durch die Einrichtungen in einer vor Zutritt gut sichtbaren Weise, beispielsweise durch einen auffälligen Aushang an den Zugangstüren, zu informieren.

§ 7 Weitere Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz

Das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu erlassen, bleibt von dieser Verordnung unberührt. Für den Erlass von Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz ist das Sozialministerium zuständige oberste Polizeibehörde. Das Sozialministerium übt die Fachaufsicht für Maßnahmen der nach § 1 Absatz 6 der Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Ortspolizeibehörden aus.

§ 8 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

§ 9 Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 15. Juni 2020 außer Kraft.

(2) Das Sozialministerium wird gemäß § 32 Satz 2 IfSG ermächtigt, den Termin des Außerkrafttretens zu ändern.

Stuttgart, den 16. März 2020

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Kretschmann
Strobl Sitzmann
Dr. Eisenmann Untersteller
Dr. Hoffmeister-Kraut Lucha
Hauk Wolf
Hermann


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